Der Glaube an sich selbst und Schokoriegel: Rastatter Unternehmer lernen von Extremsportler

Mitten im Winter in Sibirien im Zelt zu übernachten und bei einsetzendem Tauwetter mit dem Fahrrad quer durch Russland bis an den Pazifik zu radeln, ist nichts für schwache Gemüter: Das Projekt eines Triathlon einmal um die Welt in die Tat umzusetzen, verlangte Jonas Deichmann einiges ab – zumal nicht nur Radfahren, sondern auch Schwimmen und Laufen auf dem Programm standen. Der Mittdreißiger hatte es sich in den Kopf gesetzt, die Welt zu umrunden und war mitten in der Corona-Pandemie im September 2020 zu seiner 14-monatigen Tour gestartet. Wie er das bewerkstelligte und welche Erfahrungen der Extrem-Sportler und mehrfache Weltrekordinhaber dabei gemacht hat, war Gegenstand seines kurzweiligen und mit lustigen Anekdoten gespickten Vortrags in der Reithalle Rastatt beim 10. Rastatter Unternehmertreffen.

Das Rastatter Unternehmertreffen

Die städtische Wirtschaftsförderung unter der Leitung von Torsten von Appen lädt einmal jährlich zu dieser Veranstaltung ein. Mit dem Unternehmertreffen möchte die Stadt den Rastatter Wirtschaftstreibenden interessante Vorträge und Diskussionen zu aktuellen Themen bieten und zugleich den Austausch untereinander und mit der Stadtverwaltung forcieren. Nach einer Corona-Zwangspause und gerade in wirtschaftlich herausfordernden Zeiten zeigte sich Bürgermeister Arne Pfirrmann bei der Begrüßung erfreut, wieder viele Interessierte willkommen heißen zu dürfen. Mehr als 70 Vertreter aus Wirtschaft und Gewerbe waren der Einladung gefolgt und lauschten gespannt den Erlebnissen des Bestseller-Autoren aus dem Schwäbischen unter dem Motto „Das Limit bin nur ich“. Musikalisch umrahmt wurde die Veranstaltung von dem Musiker Moritz Eichin, der die Gäste gekonnt stimmungsvoll mit einem Mix aus Country, Folk und Classic Rock durch den Abend begleitete.

Triathlon um die Welt

Einmal um die Welt – das war das Ziel von Jonas Deichmann. Die 120-fache Ironman-Distanz wurde für ihn zur Grenzerfahrung und begeisterte Menschen weltweit. Von München aus startete er mit dem Fahrrad über die Alpen bis ans Adriatische Meer. Deichmann schwamm durch die Adria, gegen tückische Strömungen und teils in der Dunkelheit. Mehrfach von pandemiebedingten Grenzschließungen ausgebremst, was Grenzübertritte zu einem komplizierten Unterfangen machte, wählte er eine Alternativroute und fuhr mit dem Fahrrad 20.000 Kilometer von Dubrovnik bis nach Wladiwostok bei klirrender Kälte. Da die USA wegen COVID-19 für Ausländer gesperrt waren, flog er im Anschluss von Russland nach Mexiko, und durchlief das Land in 120 Marathons. Begleitet von Menschen jeden Alters, die sich ihm spontan anschlossen, um für ein paar Kilometer Teil seines Abenteuers zu werden, erlangte er Prominentenstatus als deutscher Forest Gump und wurde zeitweise von Live-Übertragungen und Polizeieskorten begleitet. Unterstützt von einer Fangemeinde im Netz vollendete er nach 430 Tagen, rund 455 geschwommenen Kilometern, 21.000 per Rad zurückgelegten Kilometern und mehr als 5.000 gelaufenen Kilometern im November 2021 seine Tour wieder in München. Hierzu entstanden der Dokumentarfilm „Das Limit bin nur ich“ und ein gleichnamiges Buch.

Was mitnehmen?

Was können Unternehmen von einem Extremsportler lernen? Deichmann, der bis Anfang 2018 als Sales Manager bei einer IT-Firma aus Schweden gearbeitet hatte, konnte einige Parallelen aufzeigen. Zum Beispiel, dass Visionen wichtig sind und man an sich glauben muss. Obwohl fast alle in seinem Umfeld an ihm und seinem Projekt zweifelten, gelang es Deichmann, mit reiner Willenskraft und dem Seepferdchen-Abzeichen in 54 Tagen 450 Kilometer zu schwimmen und den Rekord für die längste Schwimmstrecke ohne Begleitboot aufzustellen. Eine wichtige Lektion war auch, dass eine gute Vorbereitung das A und O ist. So zersägte Deichmann sogar seine Zahnbürste, um Gewicht einzusparen, da er seine Ausrüstung jeden Tag mit sich beförderte – egal ob beim Schwimmen, Radfahren oder Laufen. Allerdings nützte ihm diese akribische Planung wenig, als er in Mexiko bei einem Empfang vom Bürgermeister zwei Miniatur-Aztekentempel von jeweils sieben Kilogramm Gewicht geschenkt bekam – die mussten mit, ein Geschenk abzulehnen gilt in dem Land als äußerst unhöflich. Merke: Es kommt am Schluss doch meist anders als gedacht. Dann heißt es gelassen zu bleiben und sich anzupassen. 

Von Etappenzielen und Belohnungen

Problematisch war auch der zweite Tag seiner Laufetappe in Mexiko, als er dermaßen viele Muskelfaserrisse in den Beinen hatte, dass er sich am Geländer eines Supermarktes hochziehen musste, weil er es aus eigener Kraft nicht mehr schaffte. Am nächsten Tag standen aber wieder 50 Kilometer Laufen als Tagesziel an. Wie man das durchhält? Wie man langfristige Projekte umsetzt und trotzdem motiviert bleibt? Mit kleinen Zwischenzielen, auf die man hinarbeitet und sich dann ordentlich dafür belohnt, so Deichmann. In seinem Fall war der Weg von einer Tankstelle zur nächsten das Ziel, wo es dann Schokoriegel satt gab. Apropos satt: Zirka 9.000 Kilokalorien verbrauchte er durchschnittlich am Tag. Die mussten erst einmal angefuttert werden – in Sibirien bedeutete das, den Tag mit einem Kaffee mit einem ordentlichen Stück Butter darin zu beginnen. Und noch einen guten Tipp hatte Deichmann: Aufschieben bringt nichts, man sollte immer mit den unangenehmen Aufgaben beginnen und diese hinter sich bringen. Morgens in seinem Zelt irgendwo in Russland bei arktischen Temperaturen galt es, zwischen Weiterfahren oder Liegenbleiben zu wählen. Er entschied sich, sofort weiterzufahren – denn zu bleiben hätte es auch nicht besser gemacht. 

Mut machen

In seinem rund einstündigen Vortrag ließ Deichmann so das Publikum in der Reithalle an seinen unglaublichen Erlebnissen teilhaben, berichtete von der Herzlichkeit der Menschen, die er rund um den Globus getroffen hatte, und machte den Zuhörern Mut. „Wenn heute zu mir jemand sagt, das hat noch keiner gemacht, du wirst scheitern, dann sage ich: Ja, super, dann kann ich der Erste sein", so Deichmann.

Drei Männer stehen vor einer Präsentation
(Erstellt am 30. Mai 2023)