Neujahrsrede von Oberbürgermeisterin Monika Müller beim Neujahrsempfang der Stadt Rastatt am 12. Januar in der BadnerHalle
Sehr geehrte Rastatterinnen und Rastatter aus Stadt und Ortsteilen, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Gäste,
wie schön, dass wir gemeinsam dieses neue Jahr begrüßen können! Ein ganz besonderes neues Jahr für Rastatt. Denn wir feiern das 175-jährige Jubiläum der Badischen Revolution. Eine Revolution, die in Rastatt zu einer außergewöhnlichen Verbrüderung zwischen aufständischer Bürgerschaft und den eigentlich feindlichen Soldaten führte. Die aber trotz dieses wichtigen Schritts am Ende in ganz Baden scheiterte und vor 175 Jahren hier in Rastatt endgültig niedergeschlagen wurde. Gedenken wir also des Scheiterns, des Scheiterns einer Idee, für die die Zeit noch nicht reif war? Ja durchaus. Vor allem aber feiern wir, dass in der Revolution damals der Keim für unsere Demokratie gelegt wurde.
175 Jahre Badische Revolution: Demokratie bewahren und weiterentwickeln
Demokratie fiel nicht vom Himmel, tut es bis heute nicht, sie musste und muss immer wieder erkämpft werden. Es liegt an uns, sie zu bewahren, aber auch weiterzuentwickeln. Denn Demokratie heute kann und muss andere Antworten geben als vor 175 Jahren, wo es darum ging, Stände und Willkür zu überwinden.
Das Wesen und die Herausforderung der Demokratie hat der kürzlich verstorbene Wolfgang Schäuble sehr treffend zusammengefasst. Wir hätten ihn gerne als Redner in unserem Jubiläumsjahr gewonnen, so aber bleibt mir nur, ihn zu zitieren: „Demokratie beruht auf der Bereitschaft zu akzeptieren, dass andere Meinungen ihren Platz haben, auch wenn sie der eigenen widersprechen. Und anzuerkennen, dass am Ende nicht entscheidend ist, was ich denke, sondern was die Mehrheit entscheidet. Deshalb ist Demokratie ein anspruchsvolles Modell des Zusammenlebens. Wahrscheinlich das anspruchsvollste, das wir kennen. Sie fordert den Menschen viel ab.“
Sie fordert uns viel ab. Heute müssen wir Demokratie in Einklang mit der Globalisierung und Transformation bringen. Wir müssen die berechtigte Forderung nach Bürgerbeteiligung umsetzen − ohne reinen Lobbyismus zu befördern.
Sehr geehrte Gäste, es stellt sich die Aufgabe, Wertevermittlung in Zeiten zunehmender Bedeutungsverluste von Kirchen und Institutionen zu wahren. Und es geht darum, Vertrauen in unseren Staat und unsere Demokratie zu stärken, während gleichzeitig Krisen und Kriege die Sicht auf unser Land und unsere Gewissheiten verändern.
Corona und die Krisen der letzten Jahre haben in vielen Menschen eine unbestimmte Wut auf Regeln und Vorschriften entfacht. Allzu viele Menschen fühlen eine Ohnmacht und wenden sich ab. Von der Gesellschaft. Von unserer Demokratie. Rastatt kann als Ort der demokratischen Revolution dafür stehen, dass Demokratie immer wieder aufstehen kann, dass das Feuer der Demokratie nie wieder erlischt. Dieses demokratische Feuer wollen wir bewahren, weitertragen und teilen.
„Revolutionsstadt Rastatt“ als Auftrag für Freiheit und Gerechtigkeit
Und so möchte ich heute mit Ihnen die „Revolutionsstadt Rastatt“ ausrufen. Nicht nur, weil wir in diesem Jahr die beeindruckende revolutionäre Geschichte Rastatts feiern. Sondern vor allem, weil das Erbe dieser Geschichte Geschenk und Auftrag an uns ist. Die Kämpferinnen und Kämpfer von damals hatten sich konsequent für Freiheit und Gerechtigkeit und für demokratische Grundrechte eingesetzt. Daran wollen wir in diesem Jahr immer wieder und mit vielen Veranstaltungen erinnern.
Besonders jedoch wollen wir von Rastatt als Ort der Demokratiegeschichte wichtige Impulse aussenden, nach außen, ganz besonders aber nach innen, in unsere Stadtgesellschaft hinein. Wir wollen Diskussionen entfachen, was Freiheit und Demokratie heute bedeuten, wie wertvoll sie sind und was wir tun können, um diese Grundwerte täglich zu verteidigen. Was würden uns heute die damaligen Revolutionäre Amalie Struve, Lorenz Brentano oder Friedrich Hecker raten? Was würden sie sagen zu den Kräften, die aktuell die Demokratien in Europa bedrohen? Zu den gesellschaftlichen Spannungen in unserem Land oder zu Fake News und Beleidigungen in den sozialen Medien? Ich könnte mir vorstellen, sie würden erst mal den Kopf schütteln und uns fragen: Seid Ihr verrückt geworden? Warum setzt Ihr so leichtfertig aufs Spiel, wofür wir gekämpft haben? Warum seid Ihr nicht stolz und dankbar für die Freiheit und den Frieden, in denen Ihr jetzt leben dürft?
Ja, das stimmt. Warum sind wir nicht dankbarer für unsere demokratischen Errungenschaften? Gerade auch mit Blick auf die vielen Kriegs- und Krisengebiete in Europa und der Welt meine ich: Wir können dankbar sein und wir müssen unsere Demokratie verteidigen. Ich finde, wir sind es vor allem auch den Menschen schuldig, die sich in den aktuellen Kriegsgebieten genau für unsere demokratischen Werte einsetzen und dafür bekämpft werden.
Rastatts beeindruckende Geschichte war auch damals vor 175 Jahren nicht das Werk der Mächtigen. Es waren die Revolutionäre aus dem Volk, und es war die Bürgerschaft, die sich mit den Revolutionären verbündet hatte. Die Kraft der Bürgerschaft war also schon immer eine Stärke Rastatts. Das ist auch heute und gerade heute der Fall. Es sind die Rastatterinnen und Rastatter in den vielen Vereinen und Initiativen, im Gemeinderat und in den Betrieben – und übrigens auch im Rathaus –, die unsere Stadt am Laufen halten. Nicht aus revolutionärem Antrieb natürlich, aber als Möglichmacher und Motor des gesellschaftlichen Miteinanders in unserem demokratischen Land.
Viele Veranstaltungen im Jubiläumsjahr
Auch im Jubiläumsjahr werden viele Veranstaltungen von unseren Vereinen organisiert. Dafür danke ich von Herzen. Das Gesamtprogramm zum Jubiläum wird in Kürze veröffentlicht. Aktuelle Infos finden Sie dann bei uns auf der städtischen Website. Ein paar Einblicke wollen wir Ihnen aber bereits heute bieten. Sie haben sicher bereits beim Hereinkommen die Bänkelgesänge von Hans Peter Faller und Hubert Müller gehört und die historischen Bilder zur Badischen Revolution gesehen. Wer’s verpasst hat: Nach dem offiziellen Teil können Sie die Bänkelgesänge nochmals im Staffelschnatzersaal erleben. Außerdem können Sie an unserer Fotowand im Foyer ein Erinnerungsfoto machen, wahlweise als Amalie Struve oder Friedrich Hecker oder als Kind der Revolution. Und Sie können heute erstmals das Jubiläumsbier probieren, gebraut von Rastatts Traditionsbrauerei Franz. Und wenn Sie nachher den Heimweg antreten, tragen Sie mit unserer Jubiläumstasche ein aufgedrucktes Bekenntnis in diese Januarnacht: Wir tragen Verantwortung für unsere Demokratie!
Vielen, vielen Dank an alle, die diese Angebote möglich gemacht haben. Übrigens trifft unser Jubiläum in diesem Jahr auf das 75-jährige Jubiläum des Grundgesetzes. Mindestens also ein doppelter Grund zu feiern.
Erkämpfte Werte von damals sind so aktuell wie nie zuvor
Die Badische Revolution, das hatte ich bereits betont, ist alles andere als pure Vergangenheit. Die damals erkämpften und auch heute immer wieder gefährdeten Werte – wie Freiheit, auch Pressefreiheit, Gerechtigkeit und freies Wahlrecht – sind im Grunde so aktuell wie nie zuvor. Wie geht unsere Jugend mit dem Thema Freiheit, mit dem demokratischen Erbe heute um? Diese Frage beschäftigt mich und meine beiden Bürgermeister-Kollegen Raphael Knoth und Mats Tilebein. Wie bereits eingangs erwähnt, haben wir deshalb unsere Jugenddelegation zu einer kleinen Talkrunde eingeladen. Wir sind gespannt auf die Fragen der Jugend – und Sie hoffentlich auch!
Liebe Rastatterinnen und Rastatter, vor wenigen Tagen durfte ich hier starten, als Ihre Oberbürgermeisterin. Diese Aufgabe erfüllt mich mit großer Freude. Und sie ist mir eine große Ehre. Bereits in meinen wenigen ersten Arbeitstagen habe ich viele interessante und herzliche Begegnungen mit Rastatterinnen und Rastattern erleben dürfen. Der Zuspruch, den ich erfahren habe, der Ansporn, die vielen tollen Ideen… berühren, begeistern und motivieren mich sehr. Ich setze mich daher aus voller Überzeugung dafür ein, um für Rastatt, für Sie, liebe Rastatterinnen und Rastatter, und für die Region das Beste zu erreichen.
Stehe für Zuhören, Entscheiden, Umsetzen und den offenen Dialog
Sicher haben einige von Ihnen heute eine Neujahrsrede erwartet, in der ganz viele konkrete Programme und Projekte aufgezählt werden. Aber wer mich kennt weiß: Ich stehe nicht für lange Reden und Aufzählungen. Oder für schöne Versprechungen, die ich heute noch nicht sicher einlösen kann. Ich stehe für Zuhören, Entscheiden und Umsetzen. Ich möchte auch nach, vor oder zwischen Wahlkämpfen von Ihnen erfahren, was Ihnen besonders am Herzen liegt. Ich möchte es von den Jungen ebenso wissen wie von den Älteren, von den Alteingesessenen ebenso wie von den Neubürgern oder den Zugewanderten. Von den Chefs und Geschäftsführern ebenso wie von Beschäftigten, Selbstständigen oder Menschen, die nicht erwerbstätig sind.
Mein Wunsch ist der offene Dialog und das gemeinsame sich Verständigen auf Projekte und Wege, die einzuschlagen sind. Wer mich im Wahlkampf erlebt hat, weiß, dass transparentes Arbeiten, eine offene Kommunikation und ein schnelles, unbürokratisches Handeln zu meinen Grundsätzen gehören. Das habe ich in Pforzheim und Wolfsburg umgesetzt. Dafür stehe ich nun ganz besonders als Oberbürgermeisterin in Rastatt. Gemeinsam mit allen Akteuren in Rathaus und Politik will ich Bewährtes fortsetzen und mit einer neuen Begegnungs- und Beteiligungskultur zu verzahnen.
Neue Begegnungs- und Beteiligungskultur
Um Beteiligung zu ermöglichen, muss Politik, muss Verwaltung vor allem erstmal verständlich sein – im Wahlkampf habe ich einen Rastatt-TÜV für Verwaltungsvorlagen versprochen und dazu bereits intern den Rahmen gesetzt, der nun noch mit Leben gefüllt werden muss. Menschen brauchen Treffpunkte – einen davon soll die Pagodenburg wieder bieten, die wir als gastronomisches Angebot für Familien entwickeln wollen.
Für unsere Familien soll die Kinderbetreuung bedarfsgerecht ausgebaut werden, schneller als bislang geplant. Denn Kinder und Eltern sollen nicht warten müssen, worauf sie einen Anspruch haben: Bildung. Rastatt muss als Bildungsstandort für alle Altersgruppen attraktiv sein. Und auch fürs Wohnen müssen alle bezahlbaren Raum finden − dazu will ich mich mit den Wohnungsbaugesellschaften zusammensetzen und eine Wohnraumoffensive starten.
Wichtig ist vor allem, dass wir unsere Dörfer immer im Blick behalten. Daher werde ich Sprechstunden vor Ort anbieten und die Dorfentwicklungspläne gemeinsam mit den Beteiligten vor Ort prüfen und deren Umsetzung nachhalten.
Sehr geehrte Damen und Herren, Rastatt hat lebenswerte Dörfer und Stadtteile und ist eine wirtschaftlich starke Stadt. Weil in den letzten Jahren viele zukunftsweisende Projekte auf den Weg gebracht wurden. Und weil Rastatt gut gewirtschaftet hat und derzeit auf einem soliden finanziellen Fundament steht. Im Team mit allen Kolleginnen und Kollegen im Rathaus, mit den Eigenbetrieben und Töchtern, werde ich mich mit aller Energie dafür einsetzen, dass wichtige Projekte, wie das Zentralklinikum oder das Kombibad, zügig umgesetzt werden.
Besonders im Blick haben werden wir auch Rastatts Zukunfts-Agenda, das Stadtentwicklungskonzept 2036. Darin finden sich Ziele für die Stadtentwicklung und fürs Zusammenleben, langfristige Projekte wie die Landesgartenschau 2036, aber auch konkret anstehende Vorhaben wie „Lebendige Innenstadt“, „Urbane Murg“ oder umweltverträgliche Mobilität, für die ich mich sehr gezielt einsetzen werde.
Rastatt ist aber vor allem dann eine starke Stadt und wird dies noch stärker bleiben, wenn sich viele Rastatterinnen und Rastatter an der Entwicklung ihrer Stadt beteiligen. Im Kleinen wie im Großen. Wenn sie stolz sind auf ihre Heimatstadt und sich für ein gelingendes, gutes Miteinander einsetzen.
Mein Ziel ist es vor allem, das Miteinander in einer familienfreundlichen, wirtschaftlich gesunden Wohlfühlstadt Rastatt zu stärken und echte Bürgernähe zu leben. Wie ich das anstellen möchte? Erst einmal will ich zuhören und Meinungen einholen. Dafür werde ich neue Begegnungsräume schaffen und ansprechbar für alle sein – sowohl im direkten Dialog als auch über digitale Kanäle. Welche Wege der Kommunikation wünschen sich Rastatterinnen und Rastatter? Um das herauszufinden, starten wir nach der Veranstaltung eine kleine Umfrage, an der Sie sich online, aber auch postalisch beteiligen können. Danach werde ich dann Ihren Wünschen entsprechend unterschiedliche Formate anbieten, beispielsweise auf dem Wochenmarkt und in die Ortsteile und die Stadtteile zum Gespräch kommen. Wer mich sprechen möchte, kann dies zukünftig bequem vor Ort tun - ganz ohne Anmeldung und organisatorische Hürden.
Offenes Rathaus schaffen, in das die Rastatter gerne kommen
Insgesamt will ich ein offenes Rathaus schaffen, in das die Rastatterinnen und Rastatter gerne kommen. Mir schwebt vor, dass Ehrenamtliche und Initiativen sich regelmäßig in all ihrer Vielfalt im Rathaus präsentieren können. Aber auch darüber hinaus möchte ich den wertvollen Einsatz der vielen Ehrenamtlichen stärker fördern. Das ist mir eine Herzensangelegenheit. Denn für ein gutes Zusammenleben in unserer Stadt sind Ehrenamtliche nicht zu ersetzen. Ob sie nun politische Verantwortung übernehmen als Mitglieder im Gemeinderat, in den Ortschaftsräten oder der Jugenddelegation. Oder ob sie kostbare Arbeit leisten bei der freiwilligen Feuerwehr, in Sportvereinen, im Kulturbereich, im sozialen Bereich oder im Umwelt- und Klimaschutz. Ich danke Ihnen allen, Sie halten die Stadt am Laufen!
Dialogveranstaltung am 24.1. zum Thema Geflüchtete
Ganz und gar unersetzlich ist das Engagement von Ehrenamtlichen auch bei einer kommunalen Pflichtaufgabe mit Konfliktpotenzial, der Unterbringung von Geflüchteten. Dieses Thema hat auch in Rastatt Widerstände in der Bevölkerung hervorgerufen. Ich nehme die Bedenken der Bevölkerung ernst. Daher habe ich sofort nach meinem Dienstantritt eine öffentliche Dialogveranstaltung zum Thema in die Wege geleitet: Am 24. Januar werden wir in der BadnerHalle gemeinsam mit Vertretern des Landratsamtes und der Polizei den aktuellen Stand erläutern und für Fragen der Bevölkerung zur Verfügung stehen. Dies wird ein Auftakt sein, dem je nach Bedarf und Entwicklung selbstverständlich weitere Veranstaltungen folgen werden. Bitte kommen Sie zu der Veranstaltung, stellen Sie Ihre Fragen und versuchen Sie, möglichst faktenorientiert und wertfrei zu urteilen. Ich verspreche Ihnen: Wir werden zukünftig beim Thema schneller, transparenter und verständlicher kommunizieren und die Bürgerschaft besser einbinden.
Liebe Rastatterinnen und Rastatter, ein neues Jahr wartet auf uns. Es liegen noch 353 Tage vor uns. Es wird zwar ein Jahr voller weltweiter Kriege und Krisen und großer globaler Herausforderungen sein. Aber wir in Rastatt sollten uns immer wieder klarmachen, gerade vor dem Hintergrund unseres Jubiläumsjahres zur Badischen Revolution: Wir leben in einer Demokratie mit großartigen freiheitlichen Werten. Das ist ein unglaubliches Privileg. Das haben wir auch Amalie Struve und den anderen Revolutionären von 1848/1849 zu verdanken. Seien wir uns dessen stets bewusst. Und gehen wir sorgsam mit diesen Werten um. Verteidigen wir sie täglich. Ob in Diskussionen im privaten Kreis oder in Chats auf Facebook oder Instagram.
Vor allem aber bitte ich Sie: beteiligen Sie sich aktiv an der Gestaltung eines guten Zusammenlebens in unserer schönen Stadt. Wir werden Ihnen viele Gelegenheiten dazu bieten.
Und nicht zuletzt: Nutzen Sie das wichtigste demokratische Grundrecht, das wir haben: Gehen Sie bitte wählen, tragen Sie Verantwortung für unsere Demokratie! Bei den Kommunalwahlen und den Europawahlen am 9. Juni sollten wir bei der Wahlbeteiligung deutlich zulegen. Ich setze auf Sie! Vielen Dank!