Erste große Frauenrechtsbewegung flammte vor 175 Jahren auf: Themenführung im Stadtmuseum zum Weltfrauentag
Die Badische Revolution 1848/49 und die Jahrzehnte davor stehen vor allem für das Streben der Bürger nach Demokratie und Freiheit. Nicht ganz so bekannt ist, dass gleichzeitig die erste große Welle der Frauenrechtsbewegung losbrach. Immer mehr Frauen strebten damals nach mehr Gleichberechtigung und vor allem politischer Teilhabe.
Auch 175 Jahre nach der Badischen Revolution sind Emanzipation und Gleichberechtigung wichtige Themen. Anlässlich des Weltfrauentags am Freitag, 8. März, bietet das Stadtmuseum in Kooperation mit der städtischen Beauftragten für Chancengleichheit, Kerstin Ganz, um 15 Uhr eine Themenführung an. Museumsleiterin Johanna Kätzel stellt die radikale Revolutionärin Mathilde Franziska Anneke vor, aber auch einige andere interessante Frauenpersönlichkeiten, die in Rastatt lebten oder wirkten. Die Führung „Frauengeschichten“ ist im Eintritt von vier Euro (ermäßigt zwei Euro) inbegriffen und dauert 45 Minuten. Eine Anmeldung ist nicht nötig.
Das damals biedermeierliche Ideal des zurückgezogenen häuslichen Glücks mit klarer Rollenverteilung war nicht die Realität oder der Wunschtraum jeder Frau. Verstärkt durch die Industrialisierung bestand der Alltag vieler Frauen aus harter Lohnarbeit – neben Haushalt und Kindern. Und auch in besser gestellten Schichten wollte sich nicht jede Frau auf Heim und Herd und Kinder begrenzen lassen. Immer mehr Frauen strebten nach mehr Gleichberechtigung und vor allem politischer Teilhabe. Sie nahmen an politischen Festen und Versammlungen teil, prangerten in Zeitungsartikeln gesellschaftliche Missstände an oder gründeten Frauenvereine, um gemeinsam für ihre Rechte einzustehen. Von vielen Zeitgenossen wurden sie dafür belächelt oder gar verächtlich gemacht. Auch viele Revolutionäre oder Abgeordnete im ersten deutschen Parlament in der Frankfurter Paulskirche 1848/49 nahmen Frauen und ihre Anliegen nicht so ernst und waren etwa gegen ein Wahlrecht für Frauen.
Eine dieser Pionierinnen der Frauenrechtsbewegung wird derzeit im Stadtmuseum näher vorgestellt: die Revolutionärin und Feministin Mathilde Franziska Anneke (1817-1884). In der derzeitigen Kabinettausstellung zu den Wirtshäusern in der Revolution ist ihr eine eigene Medienstation gewidmet. Auf spielerische Art soll dort vermittelt werden, dass Frauen zwar vielleicht nicht unbedingt an den Stammtischen und in den Lesegesellschaften in den Wirtshäusern einen Platz hatten, aber doch Mittel und Wege hatten, um sich an der politischen Debatte zu beteiligen, zum Beispiel in Form von Schriften und Zeitungsartikeln, wie es auch Mathilde Franziska Anneke tat. In vielen ihrer Veröffentlichungen prangerte Anneke die sozialen Ungerechtigkeiten in Bezug auf Frauen an und machte dafür unter anderem die Kirche verantwortlich. Eine Zeit lang gab sie sogar selbst eine Zeitung in Köln heraus. Sie entwickelte zunehmend sozialistische und feministische Ansichten, und 1849 beteiligte sie sich aktiv an der Badischen Revolution. Nach der Niederschlagung der Revolution in Rastatt wanderte sie – wie viele andere Revolutionäre und Revolutionärinnen – in die USA aus. Dort machte sie sich als Vorkämpferin für das Frauenwahlrecht einen Namen und eröffnete eine Mädchenschule, die sie bis zu ihrem Tod 1884 leitete.